Doppelweichen

Dieser Artikel erschien in der MIBA 11/1994. Spätere Aktualisierungen, z.B. wegen neuer Erkenntnisse oder gar neuer Modelle, sind rot gekennzeichnet. Die Modellfotos aus dem Artikel habe ich weggelassen, zumindest zunächst, dafür gibt zusätzliche Vorbildaufnahmen.

Eine Doppelweiche ist eine Weiche mit zwei Zweiggleisen, es ergeben sich also zusammen mit dem Stammgleis drei Fahrmöglichkeiten. Deswegen wird sie auch gelegentlich - mehr in den Modellbahnprospekten als in der Fachliteratur - als Dreiwegweiche bezeichnet. Die Modellbahnindustrie hat uns die Doppelweichen in der Regel in einer symmetrischen Ausführung präsentiert, zumindest was die Geometrie betrifft, auch wenn Fleischmann die Zungen dennoch hintereinander angeordnet hat. Symmetrische Doppelweichen gibt es durchaus, in Deutschland war allerdings die bayerische die einzige Staatsbahn, die sie eine Zeitlang verwendete. Alle anderen Länderbahnen, DRG, DR und DB haben nur asymmetrische Doppelweichen eingebaut.

Bis zum Erscheinen der Doppelweiche des ROCOline-Gleissystems mussten Modellbahner, die sich in diesem Punkt an das Vorbild halten wollten, auf Doppelweichen verzichten (lediglich Shinohara hatte bis dahin eine asymmetrische Doppelweiche im Programm, die allerdings hinsichtlich der Schwellenlage amerikanischen Vorbildern entspricht). ROCOs Doppelweiche war also ein deutlicher Schritt in Richtung Vorbildtreue, bis auf die für ein Großseriengleissystem nicht zu vermeidende Verkürzung in der Länge.

Bei den Doppelweichen der Bundesbahn ist ausschließlich ein Radius von 190 m gebräuchlich, sie entsprechen also hinsichtlich Geometrie und Konstruktion der Regelweiche EW-190-1:9. Der zweite Bogen beginnt immer 10,523 m hinter dem ersten, so dass die Regelweiche DW-190-1:9 & 1:9 um dieses Maß länger ist als die Standardweiche EW-190-1:9 (siehe Abb. 2). Wie bei den einfachen Weichen kann auch bei den Doppelweichen der Bogen der abzweigenden Stränge durch das Herzstück durch geführt werden, so dass die bekannten Endneigungen von 1:7,5 oder 1:6,6 entstehen (siehe Heft 5/93). Für jedes der beiden abzweigenden Gleise kann die Endneigung unabhängig voneinander gewählt werden (1:9, 1:7,5 oder 1:6,6), so dass insgesamt 9 verschiedene Kombinationen möglich sind (Abb. 3). Außerdem sind natürlich grundsätzlich zwei verschiedene Bauformen möglich, erst Zweiggleis nach rechts, dann nach links - oder umgekehrt; macht insgesamt 18 Varianten.

ROCOs Doppelweiche ist, da beide Bögen durchs Herzstück durchgeführt sind, eine Nachbildung der DW-49-190-1:7,5/1:6,6 l. & 1:7,5/1:6:6 r. - das erste Zweiggleis führt nach links. Merkwürdigerweise ist diese Ausführung beim Vorbild viel seltener als die andere, wo das erste Zweiggleis nach rechts führt. Unter etwa drei bis vier Dutzend Doppelweichen, die der Autor gesehen und fotografiert hat, fand sich genau eine einzige, bei der das erste Zweiggleis nach links führt! Na ja, mittlerweile, fast 10 Jahre später, sind es ein paar mehr. Vielleicht liegt der Grund darin, dass in allen offiziellen Zeichnungen seit Anbeginn immer nur die Rechts-Links-Variante dargestellt wurde. Konnten sich die Gleisplaner das Spiegelbild nicht vorstellen? Oder ist es doch nur Zufall?

Das große Vorbild kennt außer der häufigeren zweiseitigen Doppelweiche noch die sehr seltene einseitige, bei der beide Gleise zur selben Seite hin abzweigen. Der innere Bogen von 190 m läuft bis zum Doppelten der Regelneigung von 1:9 durch (ergibt 1:4,444); in diesem abzweigenden Strang liegt eine zweite Zungenvorrichtung. Im Modell gibt es eine solche Weiche nur als Bausatz von Schumacher, jedoch mit nicht ganz vorbildgemäßer Geometrie - die zweite Zungenvorrichtung ist die einer Bogenweiche, beim Vorbild ist sie gerade. Allerdings gibt es eine solche Version bei Privatbahnweichen.

Bei allen Länderbahnverwaltungen und bei der Reichsbahn hatten die Doppelweichen immer Gelenkzungen. Erst Mitte der 60er Jahre führte die DB auch bei den Doppelweichen Federschienenzungen ein. Mittlerweile gibt es die Doppelweichen aus dem Profil S54, nur diese werden heute noch neu eingebaut.

Symmetrische Doppelweichen gab es, wie schon eingangs gesagt, in Deutschland nur in Bayern, dort aber gleich dreimal, und zwar in den Neigungen 1:7 (ca. 140 m Radius), 1:8,5 (160 m) und 1:10 (240 m) - allerdings nur in den Schienenprofilen I, II und VIII. Mit den zuletzt verwendeten Profilen IX und X wurden keine symmetrischen Doppelweichen mehr gebaut, so dass man davon ausgehen kann, dass die DRG sie höchstens noch in Nebengleisen übernommen hat. In Frankreich aber beispielsweise findet man sie durchaus, wie die Abbildungen zeigen, wenn wohl auch nicht in Hauptgleisen. Bei den übrigen Länderbahnen kamen nur die asymmetrischen oder - wie man damals auch sagte - verschränkten Doppelweichen zum Einsatz.

Verwendung

Der große Vorteil der Doppelweichen ist die Platzersparnis. Der Längengewinn beträgt gegenüber zwei einfachen Weichen hintereinander mindestens 16,6 m, das ist immerhin die Gleislänge für knapp zwei G10. Sie scheinen früher bei den Eisenbahnen recht beliebt gewesen zu sein, auf älteren Aufnahmen sieht man sie häufig. Heute vermeidet die Bundesbahn sie, wo irgend möglich (siehe Abb. 6 und 7), zum einen wegen der Kosten für das zusätzliche Herzstück, zum anderen, weil die beiden Herzstück im Stammgleis kurz hintereinander auf verschiedenen Seiten den Fahrzeuglauf unruhig machen; außerdem liegen unter den Doppelweichen die längsten und damit unpraktischsten Schwellen überhaupt, die, weil geknickt, überdies aus dem vollen gesägt werden müssen (sofern Holzschwellen verwendet werden). Für den Modellbahner ergibt sich daraus, dass er mit fortschreitender Epoche sparsamer mit Doppelweichen umgehen muss.

Übersicht Vorbildfotos
135020
Heiligenhafen
161023
Camburg
152801
München
147622
Weingarten
147518
Hanau
147106
Meppen
239215
Bremer Hafen
151302A
Lindau
182912
Lauterbach
192513
Wusterhausen
155131
Moers
139027
Hameln
143122
Italien
163605A
SNCF
157412
SBB
135518
RhB Chur
138273
RhB Wiesen
132832
CFC Casamozza
163623A
Symmetrische Doppelweiche
190018
Gleisanschluss Wetter
Ulm
Ulm
173634
Bogendoppelweiche
219314
Leicester, England
192513
Wusterhausen
168431
Landsberg am Lech
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